Samstag, Januar 14, 2006
Die Feste feiern wie sie fallen

Dort wurden die letzten Vorbereitungen für das Schächten einer Kuh getroffen. Sieben Familien hatten zusammengelegt und sich für umgerechnet 280 Euro zum Festanlass dieses Tier gekauft, dessen letzte Stunde nun geschlagen hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich das Bevorstehende wirklich sehen wollte, bzw. wie mein vegetatives System damit umgehen würde. Aber man bedrängte mich förmlich zu bleiben, und so blieb mir kaum eine Wahl.
Das sichtlich verängstigte Tier wurde an den Beinen gefesselt, zu Boden gebracht und von allen Seiten gehalten, der Körper in Richtung Mekka und der Kopf so gedreht, dass die Schlagader besonders exponiert war. Das Messer gewetzt, ein Stoßgebet zum Himmel, und dann floss Blut - und das nicht zu wenig. Die Bilder schwirren mir permanent durch den Kopf, wie sie alle dastanden: der blutverschmierte Schächter, die Männer der Familien, die andächtigen Kinder. Und alle halfen sie mit bei der anschließenden Zerlegung des Tieres.
Man sah mir die Beklommenheit wohl an, denn schon schnell kam jemand her und erklärte mir den großen Zusammenhang, die Überlieferung durch den Koran, die Vorteile des Schächtens gegenüber dem Elektorschocktod und die religiöse Wichtigkeit dieser Zeremonie. Alle waren sehr bedacht darauf, dieses Brauchtum für mich ins rechte Licht zu rücken.
Danach folgten noch ein junger Ochse und zwei Ziegen, deren Schächtung ich aber nur peripher wahrnehmen konnte, zumal ich nebenbei mit 14 Litern Tee und Eid-Spezialitäten fürsorglichst verköstigt und in zahllose herzliche Gespräche verwickelt wurde.
Die ganze Dimension dieser Zeremonie wurde aber erst beim späteren Spaziergang durch die Altstadt wirklich offensichtlich. Überall in den Gassen war Blut, vor jedem dritten Haus lag ein totes oder stand ein noch lebendiges Vieh, es gab spezielle Stationen für die Sammlung der Felle und der Gedärme (meterhoch!). Heftig.
Vor unserer Weiterreise mit dem Nachtzug nach Lahore wurde ich abermals eingeladen von einer der oben erwähnten Familien, um mit ihnen gemeinsam Abend zu essen. Auch Marius sollte ich mitbringen, und so saßen wir beide einmal mehr inmitten der ungemein warmherzigen Gastfreundschaft Pakistans.
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