Mittwoch, Januar 04, 2006

 

Leiden auf 680km

Es sind ja bereits einige Kilometer, die wir hinter uns haben, aber die 680 km von Taftan nach Quetta sollten seinesgleichen suchen. Wenn ich nicht selbst ein aktiv beteiligtes und nüchternes Mitglied bei diesem Unternehmen gewesen wäre, würde ich wahrscheinlich nicht glauben, was einem so alles - im wahrsten Sinne des Wortes - "widerfahren" kann. Die einzigartige Show begann schon mit dem Betrachten des Buses. Ein großer Haufen Müll! Das Dachgepäck fast so hoch wie der ganze Bus selbst und eine komplette Fensterseite irgendwie mit Klarsichtfolie geflickt. Der Blick in die Innenausstattung war mindestens genauso bereichernd. Zunächst einmal war der Bus bumsvoll besetzt mit den unglaublichsten Figuren, die man sich vorstellen kann - allesamt so farbenfroh wie ein Aschenbecher. Aber der "Schein" trog, denn auch hier war man uns wieder einmal mehr als nur wohlgesonnen. Das Zauberwort "German" produziert anscheinend nicht nur im Iran leuchtende Augen, good Job Außenministerium :)

Auffallend, abgesehen von dem unüberschaubaren Wirrwarr an Deckengebambel, das dem Busfahrer ins Gesicht hing, war vor allem die großzügige Anzahl an Decken und Teppichen, die sich überall da verteilten, wo noch Platz war. Dies hatte auch seinen extrem guten Grund, wie wir bald feststellen sollten. Denn schon auf Kilometer 1 wurde klar, dass diese Nachtfahrt nicht eine wohltemperierte werden würde. Dies hatte Gründe: Zum Beispiel hatte mein Fensterarrangement gute zwei Zentimeter Spiel zwischen der Scheibe und dem Rahmen. Ganz zu schweigen von meinen Vorderleuten, wo dort eher eine obere Zweistelligkeit an Zentimetern "spielte". Hinzukommend war die Bustür immer mal wieder für größere Streckenabschnitte, wieso auch immer, weit geöffnet und die schon erwähnte Folienscheibe tat ein Weiteres um die minus 15 Grad Celsius (!!) Außentemperatur zu uns hereinzuholen. Und so blies permanent ein konzentriertes Eisstürmchen in unserem Bus. Freunde der Sonne, ich kann Euch sagen, das war echt mal eine Tortur. Da waren meine, pünktlich zum bestmöglichen Reisezeitpunkt einsetzenden Zahnschmerzen und die Tatsache, dass ich während der gesamten 15-Stunden Fahrt eine Beinbewegungsamplitude von ca. 3,7 cm hatte, reine Nebensache.Vielmehr waren wir alle eigentlich ausschließlich damit beschäftigt, wie man Kleidung und die vorhandenen Decken am Besten einsetzen kann, um so wenig wie möglich von sich und seiner Eigenwärme preiszugeben. Bei mir dauerte es ungefähr die halbe Distanz, bis es soweit war - 104 Zwiebelschichten, und am Ende schaute nur noch der rechte Nasenflügel hervor ;) Weniger erfolgreich war Marius, dessen Körperkerntemperatur sich stetig der Außentemperatur anglich. Sein Kommentar: "Hier zieht es wie Hechtsuppe", war eine wirklich lieb gemeinte Untertreibung. Die "Eingeborenen" verfolgten dagegen die Betäubungsstrategie und bastelten munter irgendwelche Tüten, die sie um uns herum wegquarzten. Dies hatte zur Folge, dass der alte Mann hinter mir, den Hustgeräuschen nach zu urteilen, eine nicht unerhebliche Anzahl gut bestückter Auswürfe herausgebrochen haben musste. Eine Nacht war das...

Am Morgen wurden wir auf den Bergpässen dafür mit grandiosen Panoramablicken über die Wüste Baluchistans halbwegs entschädigt. Um diese zu erklimmen, musste an unserem 2-PS-Bus übrigens bei jedem Anstieg manuell die Übersetzung gewechselt werden. Wahnsinn!! Maximalst gerädert kamen wir jedoch irgendwann tatsächlich in Quetta an. Die Ankunft war wirklich aufregend, denn auf den Straßen dieser Westernstadt herrschte schwindelerregendes Treiben. Überall Menschen, Esel, Karren, Viecher, Motor-Rikschas und VOR ALLEM diese in tausend Farben verzierten LKWs - überall! Schnell waren die Strapazen vergessen, und seither kunden wir voller Spannung und Begeisterung diese krasse Stadt aus, die Bazare, die Fressstuben, und wieder einmal genießen wir die herzliche Gastfreundschaft der Menschen hier. Morgen Mittag geht es dann weiter mit dem Zug nach Islamabad, wo ich mir vom Auswärtigenamt eine vertrauenswürdige Zahnarztadresse habe geben lassen. Mal sehen, was der so kann.Bis zum nächsten Highlight grüßt Euch

Euer David

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