Montag, Januar 16, 2006
Mensen im goldenen Tempel

Heeresscharen von Zuschauern füllen täglich um 16 Uhr die eigens fest installierten Tribünen auf beiden Seiten der Grenze. Anfeuerer heizen dann die Mengen mit ihren jeweils landesspezifischen Schlachtrufen auf, bis die eigentliche Zeremonie beginnt. Ein halbstündiges Auf- und Abmarschieren der Grenzwachen in den kuriosesten und größtenteils lächerlich wirkenden Schrittkoreographien und Laufwegen, gepaart mit einem Haufen Gebrüll, unterhalten die Massen, welche sich wiederum versuchen, in der Dezibelquantität der Jubelschreie wechsel- und gegenseitig zu übertreffen. Einfach herrlich :)
Eine solide Stunde später waren wir dann in Amristar, der ersten großen Stadt im Westen Indiens. Sie wurde berühmt durch ein großes Massaker seitens der Briten gegenüber einer friedlichen Protestversammlung im Jahre 1919. In jüngster Zeit (1984) wurde außerdem das Wahrzeichen der Stadt von den Sikhs mit Panzern erobert und teilweise zerstört. Dieses ist der sogenannte "Goldene Tempel". Der Gebäudekomplex ist wahrlich fantastisch. Ein großzügig angelegtes Karree an Räumen, Säulen und Kuppeln umgibt einen riesigen Teich, in dessen Mitte der von oben bis unten vergoldete Tempel glänzt und leuchtet. Diese Pilgerstätte der Sikhs ist 24 Stunden täglich geöffnet und auch entsprechend besucht und ist dabei dauerbeschallt durch die Lesung aus der heiligen Schrift. Für alle Pilger wird ebenfalls Tag und Nacht gratis eine Standardmahlzeit zur Verfügung gestellt, welche durch die hauseigene Riesenmensa zubereitet wird (bei Deutschlands großem Mensatest, würde sie allerdings nicht bestehen können :). Und das Allerbeste ist, dass allen Pilgern obendrein noch eine freie Unterkunft inmitten des Tempelkomplexes ermöglicht wird. Ganz klare Sache, wo wir also unser Nachtquartier bezogen.
Am Folgetag stolperte ich bei meinem Spaziergang durch die Altstadt in eine Kremation. Eine alte Frau war in der Vornacht gestorben und sollte nun verbrannt werden in einer der beiden großen Kremationsstätten Amritsars. Ich wurde freundlich herbeigewinkt, um der Zeremonie beizuwohnen. Die Leiche wird sorgfältig in einen Holzscheiterhaufen eingebettet und mit letzten Opfergaben versehen, bevor schließlich alles angezündet wird. Ein ergreifender Augenblick. Auf dem Platz brannten ca. sechs Feuer, umringt von den jeweils angehörigen Familien der Verstorbenen. Die Asche wird drei Tage später eingesammelt und in den Ganges geworfen.
Mittlerweile befinden wir uns nach einer landschaftlich spektakulären Busfahrt in Dahramsala, in den Ausläufern des Himalajas, der sich hinter uns gewaltig aufbäumt. Hier ist der Wohnsitz des Dalai Lama, wenn er sich nicht gerade auf Reisen befindet. Morgen werden wir uns wohl eine tolle Wanderung raussuchen, tief durchatmen und erholen von der Stadtluft und die sagenhafte Landschaft aufsaugen.
Tschüss Euer David
Labels: Indien